Dieser Blog erzählt die Geschichte von drei Handvoll Erde und und ihrer Reise durch ein Jahrhundert.

Donnerstag, 22. Mai 2014

Der andere Magdeburger Reiter


Albert Mayer (24. April 1892 - 2. August 1914), Tournierreiter und Leutnant zu Pferde

Während ich meine Memorialen Interventionen in Magdeburg vornahm, befragte ich Passanten ob sie denn den Albert Mayer kennen würden und bekam unisono staunende Blicke zurück. Welchen Mayer? Den Egon? Nö, noch nie gehört. Wer ist das? Wohnt der hier?


Anders als Jules André Peugeot, der erste französische Gefallene des Grande Guerre, dem alljährlich eine Zeremonie zur Erinnerung gewidmet ist, kennt man in Magdeburg (und wohl auch in ganz Deutschland) den Albert Mayer nicht. Der gebürtige Magdeburger - Leutnant zu Pferde - erschoß am 2. August 1914 und damit ein Tag vor der kaiserlichen Kriegserklärung an Frankreich, den Korporal Jules André Peugeot in Joncherey bei Delle nahe der Burgundischen Pforte, bevor er selbst, tödlich getroffen vom Pferd fiel. Da der Krieg noch unerklärt war und der Bankierssohn Mayer mit vier weiteren Reitern nach Frankreich auf Patroullie geschickt wurde, handelt es sich um einen illegalen Grenzübertritt - handelt es sich bei dem Gefecht mit den tödlichen Folgen möglicherweise sogar um Mord. Die Toten von Joncherey sind die Folgen des imperialen und völkerrechtsbrüchigen Deutschen Kaiserreiches und so kam es zustande, dass man den Peugeot in Frankreich in Erinnerung und den Mayer eher in Vergessenheit hält.

Meine Magdeburger memorialen Interventionen in den öffentlichen Raum konstruierten für wenige Stunden ein ALBERT MAYER STRASSE und hinterließen Spuren der Erinnerung in Form von Aufklebern auf dem Parkscheinautomaten vor seinem Elternhaus oder einem Laternenpfahl vor seinem Geburtshaus nicht weit der Elbe.

Am 20. Mai 2014 erhielt ich im Kaiser Otto Saal im Kulturhistorischen Museum die Gelegenheit einen performativen Vortrag rund um die unterschiedlichen Gedächtniskulte zu halten. In meinem Nacken und auf dem Pferde die Skulptur von Kaiser Otto - der eigentliche große und bekannte Magdeburger Reiter. Für nur wenige Stunden nutzte ich die Gelegenheit dem unbekannten Albert Mayer eine minimal-monumentale Erinnerung zuteil werden zu lassen. Der andere Magdeburger Reiter resp. die Abbildung seines Grabes vom Soldatenfriedhof in Illfurth (Elsass) lag dem hochsakral inszenierten Kaiser in der Apsis des Vortragssaal zu Füßen.



Parkscheinautomat, Richard Wagner Straße, Magdeburg 2014


Die Aufkleber auf dem Parkscheinautomaten, die an Mayer und auch Peugeot erinnern zurück - solange bis die klebenden Marken der Erinnerung wieder beseitigt werden.

Die nächste Veranstaltung im Kontext MAYERS ERDE findet am 1. Juni 2014 um 14 Uhr in der Zeche Zollverein statt.

Wohin mit historischen und "heiligen" Graberden? Wie inszenieren wir unsere Erinnerung an den fernen Krieg? Wie fern ist dieser Krieg? Worin liegen die Unterschiede nationaler Erinnerungskulturen? Was soll aus Mayers Erde werden?
Man konnte Mayer nicht und hatte seine Familie nicht gefragt, als man 1937 mit offizieller französischer Genehmigung drei handvoll Graberden in eine Opferreliquie verwandelte... Kann man Geschichte mit einer Geste beenden? Wen interessiert der 1. Weltkrieg?

Gibt es ein ziviles Gedenken an den militärischen Tod?

Zum performativen Vortrag im Rundeindicker der Zeche Zollverein möchte ich Sie sehr herzlich einladen. Der Vortrag findet im Kontext des Projektes Remember 1914-1918 statt.

Ruppe Koselleck, am 22. Mai 2014
im Projekt MAYERS ERDE


Veranstaltung: Remember 1914-1918
Ausstellungseröffnung: 01.06.2014, 14.00 Uhr
Termin: 02.06.-29.06.2014,  täglich 10.00 – 18.00 Uhr
Eintritt: frei
Veranstalter: Universitäten Paderborn und Osnabrück
Ort: UNESCO-Welterbe Zollverein, Gelsenkirchener Straße 181, 45309 Essen
Areal A [Schacht XII], Kohlenwäsche [A14], Rundeindicker

MAYERS ERDE ist ein Kooperationsprojekt des Onlinepromoventen mit der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Andreas Brenne,  dem Widukind Museum Enger sowie Remember 1914-1918

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